In dieser Kategorie möchten wir Euch Informationen über die Lager im Saalekreis zur Verfügung stellen.
Es gab Lager in:
- Zöschen
- Spergau
- Schkopau
- Schafstädt – Obhausen
- Lützkendorf (heutiges Braunsbedra) als Außenlager des KZ Buchenwald
Die verschiedenen Lagersysteme in der NS-Zeit
Während ihrer Herrschaft (1933-1945) errichteten die Nationalsozialisten verschiedene Lagersysteme, die unterschiedlichen Zwecken dienten. Diese Lager lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: Konzentrationslager, Zwangsarbeiterlager und Arbeitserziehungslager. Alle Lagersysteme spielten eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der rassistischen und menschenverachtenden Ideologie der Nationalsozialisten. In allen Lagern herrschte ein Klima der Gewalt und Unterdrückung. Die Insassen waren menschenunwürdigen Bedingungen ausgesetzt. Sie wurden bis zum letzten ausgebeutet und vernichtet. Während die Konzentrationslager klar auf die systematische Tötung der Menschen ausgerichtet waren, dienten die Zwangsarbeiterlager und Arbeitserziehungslager dazu, Arbeitskräfte der deutschen Kriegswirtschaft zuzuführen, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Aber auch diese Menschen waren willkürlicher Folter, Hunger und Krankheiten ausgesetzt. Auch ihr Tod wurde bewusst in Kauf genommen.
Im Saalekreis war besonders das Arbeitserziehungslager Spergau-Zöschen (AEL) ein Dreh- und Angelpunkt für die Zwangsarbeit. Insgesamt entstanden im damaligen Deutschen Reich über 200 AEL mit annähernd 40000 Häftlingen. Die AEL sollten ursprünglich zur Disziplinierung von deutschen Arbeitskräften, den Fremd- und Zwangsarbeitern aus dem besetzten Europa, Kriminellen oder sogenannten “Arbeitsscheuen” dienen. Dabei war die Haftzeit auf 56 Tage begrenzt. Nach dieser Disziplinierungsmaßnahme sollten diese Personen wieder an ihre ursprünglichen Arbeitsplätze zurückgeführt werden und als warnendes Beispiel dienen.
Die Gründe für eine Einweisung in ein AEL konnten sehr vielfältig sein. Dazu konnte zählen: Eine unbedarfte politische Äußerung gegen das NS-Regime, Bettelei, Landstreicherei, kleinere kriminelle Vergehen wie Diebstahl oder Sachbeschädigung, Arbeitsbummelei, Beziehungen von Deutschen mit Jüdinnen, Juden oder Fremd- und Zwangsarbeitern. Genauso konnten aber auch ausländische Fremd- und Zwangsarbeiter aus ähnlichen Gründen oder aufgrund von Sabotage und Fluchtversuche vom Arbeitsplatz ebenfalls in ein AEL eingewiesen werden. Die Insassen mussten dann in der Industrie bzw. in der Landwirtschaft Zwangsarbeit leisten. Mit dem Voranschreiten des Krieges und der sich allmählich abzeichnenden Niederlage wurden die AEL Sammelbecken für unterschiedliche Menschengruppen wie zum Beispiel italienische Militärinternierte. Viele AEL-Häftlinge wurden später direkt aus dem Lager zur Tötung in die Konzentrationslager geschickt.
Der ursprüngliche Standort des Arbeitserziehungslagers befand sich in Spergau in Sichtweite zu den Leuna-Werken. Das AEL wurde auf Betreiben der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) im Jahr 1942 errichtet. Allein in den Jahren 1942/43 durchliefen ca. 11.000 Häftlinge das AEL Spergau. Der Hauptteil der Insassen waren zivile Zwangsarbeiter, die im Großraum Halle-Leipzig als Arbeitskräfte eingesetzt waren und aufgrund von Verstößen als Disziplinarmaßnahme nach Spergau geschickt wurden. Ab 1944 wurde die AEL Häftlinge aus Spergau nicht nur in in Leuna-Werken eingesetzt sondern auch in Buna-Werken (Lager Schkopau), den Siebel-Flugzeugwerken in Halle bzw. auch für Enttrümmerungsarbeiten in der Umgebung. Die Arbeitsbedingungen für die AEL-Häftlinge waren katastrophal ohne jeglichen Arbeitsschutz und strenger Bewachung. Mit den zunehmenden Bombenangriffen der Alliierten auf die Fabriken und die kriegswichtige chemische Industrie wurden sie oftmals zu Aufräumarbeiten herangezogen, teilweise mussten sie unter größter Lebensgefahr Fliegerbomben entschärfen. Am 29.07.1944 wurde bei einem Luftangriff auf das Leuna-Werk auch das AEL Spergau getroffen und brannte aus. Am Beispiel dieses Luftangriffes zeigt sich auch die Brutalität und die Menschenverachtung der Wachmannschaft des Lagers. Die Krankenbaracke brannte nieder, die ausgerückte Feuerwehr aus dem Ort durfte nicht in das AEL Spergau zum Löschen fahren. Der Lagerkommandant hatte dies untersagt.
Die überlebenden AEL-Häftlinge wurden in das Lager Schkopau verlegt. Im Herbst des Jahres 1944 begannen der Bau des AEL an einem neuen Ort. Man wählte dafür die Ort Zöschen immer noch in der Nähe zu den Leuna-Werken mit Bahnanbindung. So begannen die Häftlinge vor Ort ein neues Lager zu errichten. Die Zwangsarbeit wurde zum größten Teil weiterhin in den Leuna-Werken durchgeführt.
Daneben entstand ein Außenlager in Schafstädt-Obhausen. Hier wurden AEL-Häftlinge aus Zöschen auf einem Feldflugplatz der deutschen Luftwaffe eingesetzt. Sie führten nach den Luftangriffen auf dem Flugplatz die Aufräumarbeiten durch. Sie hausten in einem umfunktionierten Schafstall, der als Häftlingsbaracke diente.
Das AEL-Zöschen durchliefen ca. 5.000 AEL-Häftlinge. Die Gefangenenbücher zeigen deutlich, dass in den letzten Wochen und Tagen des Krieges AEL Häftlinge mit Zügen in die noch existierenden Konzentrationslager zur Tötung geschickt wurden. Das Lager wurde offiziell aufgelöst, indem die Wachmannschaft die letzten noch verbliebenen AEL-Häftlinge in Zöschen auf einen Marsch Richtung Leipzig schickte. Die Kolonne kam nicht weit, da sich die Wachmannschaft absetzte und vor den heranrückenden US-Truppen floh. Die sich selbst überlassenen Häftlinge kehrten in das Lager zurück und warteten hier auf die US-Truppen, die das AEL-Zöschen offiziell befreiten.
Neben dem AEL Spergau-Zöschen entstand in unmittelbarer Nähe zum Mineralölwerk Lützkendorf im Juli 1944 ein Außenlager des KZ-Buchenwalds mit ca. 900 KZ-Häftlingen, die ebenfalls als “Arbeitskräfte” im Hydrierwerk eingesetzt wurden. Außerdem wurde die Braunsdorfer Schule kurz vor Kriegsende ebenfalls als Lager genutzt und in den damals noch existierenden Dörfern mussten Menschen auf den Höfen zwangsarbeiten. Die Recherche dazu werden wir in den nächsten Monaten ausarbeiten.
Die Bedeutung der chemischen Industrie für die Region und die Lagersysteme während der NS-Herrschaft
Der heutige Saalekreis ist bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts eine von der Industrie stark geprägte Region. Dazu trugen vor allem die umfangreichen Braunkohlevorkommen vor Ort bei. Diese geförderte Braunkohle bildete die Grundlage für die Ansiedlung und Gründung der chemischen Industrie in der Region. Die Braunkohle war billig und schnell zu fördern, diente als preiswerter Energieträger bzw. als Rohstoffgrundlage zur Weiterverarbeitung in der chemischen Industrie. So konnte die Braunkohle zum Beispiel zu einem Synthesegas verarbeitet werden, um in weiteren Prozessen daraus Düngemittel, Sprengstoffe und synthetische Kraft- und Schmierstoffe zu entwickeln.
Bereits im 1. Weltkrieg wurden im Jahr 1916 die Leuna-Werke gegründet. Die Braunkohle diente hier als Rohstoff für die Ammoniaksynthese. Das produzierte Ammoniak wiederum wurde für die Herstellung von Sprengstoff genutzt. In Friedenszeiten wurde das Ammoniak zu Düngemittel verarbeitet.
Bereits der 1. Weltkrieg hatte gezeigt, dass Deutschland als rohstoffarmes Land durch eine Wirtschaftsblockade leicht von der notwendigen Rohstoffeinfuhr abgeschnitten werden konnte. Aufgrund dieser Erfahrungen war die Weimarer Republik und später die NS-Regierung bestrebt, Deutschland von Rohstoffeinfuhren soweit wie möglich unabhängig zu machen. Die deutsche chemische Industrie entwickelte in den 1920er Jahren mehrere chemische Verfahren, mit denen es möglich war, bestimmte Rohstoffe synthetisch herzustellen. Dazu gehörte zum Beispiel auch das synthetisch hergestellte Leuna-Benzin, das ab den 1930er Jahren im großen Stil in Leuna produziert wurde. Nach der Machtergreifung 1933 und in Vorbereitung auf den Krieg förderten die Nationalsozialisten verstärkt den weiteren Ausbau der chemischen Industrie in unserer Region mit staatlichen Mitteln. So entstand 1936 das Buna-Werk bei Schkopau. Produziert wurde synthetischer Kautschuk für die Weiterverarbeitung und Herstellung von Reifen und Gummidichtungen. Eine weitere große Ansiedlung waren die Mineralölwerke Lützkendorf im Geiseltal. Von 1936 bis 1939 errichtete man ein Hydrierwerk. Die Braunkohle wurde in diesem Werk im chemischen Verfahren verflüssigt. Daraus wurden Mineralöle, Benzin und Kerosin gewonnen.
Diese eben genannten Neugründungen unter den Nationalsozialisten waren von Beginn an darauf ausgerichtet, für die deutsche Armee (Wehrmacht) und in Vorbereitung des Krieges entsprechende Produkte bereitzustellen.